Aus reiner Abenteuerlust habe ich mich für den Event Rockin‘ 1000 in der Commerzbank-Arena in Frankfurt angemeldet. Ich dachte mir, einmal im Leben muss man als Musiker auch einmal in einer 1000köpfigen Band gespielt haben. Das Programm, bunt gemischt, doch mit dem Schwerpunkt auf guter alter Rockmusik, von den Rolling Stones bis Jimi Hendrix, das war genau mein Geschmack.
Ich muss gestehen, dass ich – wie wahrscheinlich jeder andere Teilnehmer auch – auch im Vorfeld für den Gig richtig schwitzen musste, denn ich spiele zwar noch regelmäßig Schlagzeug, habe aber mittlerweile den Schwerpunkt meiner Arbeit auf der Percussion. Somit hatte ich zuletzt vor gut 15 Jahren Schlagzeug in einer richtigen Rock-Band gespielt. Allerdings war ich somit auch die Idealbesetzung für diesen Artikel, nämlich eine Doku über die Teilnahme eines „Otto-Normalverbraucher“-Schlagzeugers am Rockin’-1000-Event.
Italienische Gemütlichkeit trifft auf deutsche Gründlichkeit
Beginnen wir, wie es sich gehört, chronologisch: Nach einer erfolgreichen Bewerbung erhält jeder Musiker über die App von Rockin’ 1000 Noten und Lernvideos, um sich auf den Event vorzubereiten. Die Videos zur Vorbereitung purzeln also ab 15 Wochen vor dem Event so nach und nach in mein Postfach, doch die Noten dazu sind nicht zu 100% kompatibel mit dem, was gespielt wird. Einen Vorteil hatte das Ganze: Über eine Facebook-Gruppe der Rockin’ 1000 konnten Mitglieder sich austauschen, und so bildeten sich schon vor dem Event kleine Arbeitsgemeinschaften, die sich gegenseitig Noten schickten – und schon hatte man einige richtige Freunde über das Internet gefunden.
Das Zusammentreffen der beiden Kulturen Italien /Deutschland sollte sich übrigens wie ein roter Faden durch die ganze Veranstaltung ziehen. Und im Nachhinein muss ich sagen, dass, wann immer zwei verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, sich die Wahrheit irgendwo in der Mitte befindet, sprich: beide Parteien voneinander lernen können! Lele Borgini beispielsweise, der Chef-Drummer und Coach von Rockin’ 1000 hatte in einem Gespräch mit mir gesagt, dass er schon im Vergleich zu anderen Ländern ungewöhnlich viele Anfragen zu Noten und Techniken hatte, aber das auf der anderen Seite die Deutschen in diesem Vergleich mehr als gut auf die Songs vorbereitet wären.
Und die Vorbereitung war kein Zuckerschlecken! Zum einen gab es für uns Drummer fast schon „geschenkte“ Songs, wie z. B. „Highway To Hell“ von AC/DC, das sich rudimentär auch von einem Anfänger spielen lässt. Für andere Songs hatte man aber doch die Schweißperlen auf der Stirn, wie unter anderen für „Won’t Get Fooled Again“ von The Who.
Was die Vorbereitung betrifft, muss ich mich außerdem nochmals ausdrücklich bei Peter Hoffend von der Firma Drumport bedanken, der mich passend zum Event bei der Beschaffung eines rein italienischen Setup von DS Drums und UFIP Cymbals unterstützt hat.
Tag 1: Band-Training auf der Wiese, oder: verreise nie ohne Sackkarre!

Nach einem Check-in am Rockin’-1000-Schalter, bei dem man Eintrittsbändchen und Lageplan ausgehändigt bekommt, geht’s von einem Schotterparkplatz über einen Schotterweg zum Trainingsplatz auf offener Wiese. Hier bekommt man seinen Platz zugewiesen, an dem man dann sein Schlagzeug aufbauen kann. Ein kleiner LKW lädt Drumsets am Parkplatz auf und bringt sie zum Trainingsplatz. Da die Verladetechnik zwangsläufig ziemlich chaosmäßig aussieht und die Schlange der Schlagzeuge geschätzte 40 Sets umfasst, fasse ich mit meinem Kollegen den Entschluss, wie viele andere auch, mit Hilfe seiner Sackkarre unsere zwei Drumsets selbst zum Platz zu bringen, was sich als ziemlich anstrengend herausstellte. Unterwegs treffe ich hier schon Leute von meiner „Noten-Gemeinschaft“, und man begrüßt sich wie alte Freunde.
Am ca. 500 Meter entfernten Übungsgelände hatten wir dann die Drumsets aufgebaut, als wir erfahren haben, dass wir unsere Ausweise benötigen, um ein Headset zu bekommen, auf denen später der Clicktrack zu hören ist. Also wieder zurück zum Auto am Parkplatz, zum Ausweise abholen.
Das hatte dann aber auch wieder einen Vorteil: Im leicht abschüssigen
Weg zum Übungsplatz hatten die Drummer schon angefangen zu spielen, was das erste großartige Hörerlebnis war. 200 Drumsets, bzw. 198 denn ich und mein Kollege hatten ja noch gefehlt, gleichzeitig synchron spielen zu hören ist wirklich beeindruckend: das erste Mal richtige Rockin’-1000-Luft schnuppern! Wir haben uns pronto unsere Headsets besorgt und ebenfalls losgelegt. Auf den Kopfhörern ist eine Grundmelodie des jeweiligen Songs mit Clicktrack zu hören, und das Zusammenspiel funktionierte so wirklich ganz gut. Live ohne Clicktrack zu spielen ist in so einer großen Gruppe unmöglich, denn bei 1000 Musikern würde jeder mit irgendeinem Echo spielen. Gefühlt hatten die Drums, ein Block links aufgebaut und ein Block rechts, später in der Commerzbankarena dann etwa 1 Sekunde Verzug bis der Schall bei uns angekommen war.
Song Zwei beim ersten Üben und Drummer-Chef Lele Borghi steuert direkt auf mein Drumset zu. Italienisch gestikulierend macht er mir klar, dass ich bei diesem Song statt das Ride-Becken, dass ich gerade bearbeitete, die Hi-Hat spielen soll, und dass ich mehr auf mein Umfeld achten soll, denn jeder andere spielte die Hi-Hat. Gut daran war, dass man ab diesem Tag wirklich die Augen in der Gruppe hatte, was auch dann echt den Songs dienlich war.
Es war alles in allem jeder Tag ein Highlight, und Highlight von Tag 1 war ein echt tolles Erlebnis: Zum ersten Mal zwischen 200 Schlagzeugern zu sitzen, wenn die Bässe im ganzen Körper vibrieren. Ich war Gottseidank einer derjenigen, die sich einen richtigen Sonnenschirm für die Aktion mitgebracht hatten, denn zwei bis drei Stunden Probe bei 30 Grad unter freiem Himmel sind wirklich hart. Auffallend war, dass hier noch deutliche Unterschiede zu hören waren, wer seine Hausaufgaben ordentlich erledigt hatte und wer nicht. Selbst gute Drummer, die nicht gelernte luftige Breaks mit Zweiunddreißigstel-Manöver übertünchen wollten, wurden direkt von Lele ausgebremst. In der Gruppe ist es noch wichtiger, eher wenig zu spielen, statt zu viele oder gar falsche Noten.
Insgesamt hatten die Organisatoren echt viel damit zu tun, diesen riesigen Haufen an Musikern unter der Fuchtel zu halten. Den Spruch des Hauptanweisers Rudolfo „Guys, Guys, Guys, don’t play between the songs!“ sollten wir mindestens (realistisch geschätzte!) 50 Mal pro Tag hören. Denn es gab immer mehrere Drummer mit nervösen Füßen und Händen, Gitarren die dazwischen quietschten und Bassisten, die ihre Fingerübungen machten. Am Ende des Tages war dann eine ziemlich lange Warteschlange angesagt, um die Kopfhörer wieder abzugeben und dann folgte noch das Zusammenpacken der Drumsets.
Tag 2: Einzug der Giganten in die Arena
In seinem Leben wird man es wohl nicht oft schaffen, in solch großartigen Locations wie der Commerzbank-Arena zu spielen, es sei denn, man ist absoluter Vollprofi. Aber vor dem Einzug in die Arena kommt der Schweiß, denn zuerst einmal mussten ja die Drumsets wieder mit Hilfe der Sackkarre transportiert werden. Diejenigen die von Hand und zu Fuß ihre Drumsets und Verstärker geschleppt haben, wurden wirklich grenzwertig belastet. Schön war an allen Ecken und Kanten die gegenseitige Hilfestellung zu beobachten, schon jetzt gab es ein tolles „Wir-Gefühl“.
Nach einer längeren Wartephase, in der wir zufällig noch im Außenbereich der Bundesliga-Mannschaft von Eintracht-Frankfurt beim Trainieren zugucken durften, konnten wir Drummer nach den Gitarristen in die Arena zum Aufbau, was ein tolles Erlebnis war, den die Commerzbank-Arena hat schon eine beeindruckende Größe. Ein bisschen Chaos gab’s natürlich dort auch, weil irgendwie alle Drummer mit ihren Sets die Arena stürmten und ihre Plätze wie die Urlaubsliege mit Teppichen statt Handtüchern markierten, doch wir waren da recht entspannt und wollten dieses Treiben an uns vorbeiziehen lassen und einfach nehmen was als Rest bleibt. Doch die letzten werden bekanntlich die ersten sein, und so wurde zur Mitte hin wegen Platzmangels nochmals eine Reihe für Drumsets eröffnet, wodurch wir dann mit die besten Plätze mit der besten Aussicht ergatterten.
Nach einer mehrstündigen Pause wurden wir alle zur Ausgabe der Headsets für die Show einbestellt und dort zeigten sich dann auch Schwächen in der Organisation. Die Arena hatte an mehreren Stellen etwa acht Meter breite Eingangstunnel und alle 1000 Musiker wurden zu einem dieser Tunnel bestellt, an dem auf einer Seite die Ausgabe der Headsets vorbereitet war. Nachdem dann ein Klüngel von 1000 Musikerinnen und Musikern wie bestellt und nicht abgeholt dastand, wurde uns über Megaphon mitgeteilt, dass nun als erstes alle Gitarristen vortreten sollen um ihre Headsets zu bekommen … ab dann nahm das Chaos seinen Lauf. Doch nur drei Stunden später waren wir alle wieder glücklich vereint, mit Headset, in der Arena, auf unseren Plätzen, fertig zum Proben. Wie immer hatten alle schlechte Dinge auch wieder etwas Gutes: Da es auch an diesem Tag ziemlich heiß war und die Wasserflaschen für die Musiker schon in der Arena gestanden haben, kam Fabio Zaffagnini, Founder von Rockin’ 1000 höchstpersönlich mit Wasserflaschen unterm Arm zur Warteschlange, und die Gitarristen, die ja als erstes samt Headset in die Halle durften, halfen alle mit, die Wartenden mit Wasser zu versorgen, was ein unglaublich schöner Moment der Gemeinschaft war.
Insgesamt waren alle Organisatoren, samt des Chefs und des Dirigenten Wolf Kerschek stets präsent und waren der Band immer so nah, dass stets ein Selfie oder ein kurzes Gespräch mit ihnen möglich war. An diesem Tag wurde dann noch bis 22 Uhr abends gespielt und man merkte, dass die Band immer weiter zusammenwuchs. Auch sehr expressionistische Drummer in unserem Block merkten, wann sie banddienlich spielen und wann nicht und hielten sich zurück, was dem gesamten Klangbild sehr gut tat. Alte Drummer-Weisheit: „Weniger ist mehr.“ Stimmt. Hatte man einen Break vergessen, so störte es niemanden, wenn man sich in solchen Passagen zurückhielt und nur mit einfachsten Mitteln den Takt mitklopfte.
Tag 3: Die Generalprobe

Es gab eine echte Spannungskurve über die drei Tage. Vom ersten Hören und Mitspielen auf der Wiese, mit dem Einzug in die Arena bis zum Konzert, gab es jeden Tag etwas Neues zu erleben. Tag 3 und die Generalprobe wurde damit begonnen, den Einzug der 1000 Musiker und deren Aufstellung und deren Laufwege einzustudieren. Die Stimmung unter den Musikern und dem Kollektiv erreichte an diesem Tag seinen Höhepunkt. So wurden beispielsweise die komplette Gruppe der Bläser mit einem tosenden Applaus durch den gesamten Eingangstunnel begleitet, wo man bei so manch einem schon das ein oder andere kleine Freudentränchen beobachten konnte.
Nach professionellem Einzug wurde dann wirklich das komplette Programm geübt und durchgespielt und man merkte schon wieder, dass 1000 Musiker wirklich langsam aber sicher unter einen Hut gebracht wurden. Nach dieser Probe wurden dann noch die Plätze aufgeräumt und wir hatten noch zwei Stunden Pause, bis wir uns alle im Backstage-Bereich versammeln sollten. Zeit zum Klamottenwechsel und um noch ein bisschen zu entspannen.
Das Konzert

Mit Würstchen, Cola und Wasser wurden rund drei Stunden vor dem Konzert die Musikerinnen und Musiker fit für den großen Auftritt gemacht. So gab es noch einmal genügend Zeit für einen netten Plausch und viele nette Menschen kennenzulernen, denn bei diesem Konzert waren Mitspieler aus rund 40 Nationen vertreten. Durch die Treppenaufgänge konnten wir mit Vorfreude beobachten, wie die Ränge sich füllten. Pünktlich versammelten wir uns dann an unserem Eingang, wo wir noch einiges an Zeit bis zum Einzug zu überbrücken hatten. Die Stimmung war gut, und es wurde in dieser Zeit wieder viel gesungen und geklatscht. Wir hatten so viel Freude im Gepäck, dass beim Einzug der 1000 Musiker einfach alles in Butter war!
Das Konzert selbst war dann irgendwie rasend schnell vorbei. Man war auf das Spiel fokussiert und gleichzeitig von der ganzen Arena, den Lichtern, dem Publikum, den großen Bildschirmen etc. echt geflashed, so dass die Zeit wie im Rausch verflog. Zwischendurch wurden einige Reden vom Dirigenten Wolfgang, vom Chef der Commerzbank-Arena und von Fabio von Rockin’ 1000 gehalten und dann kam die Überraschung für uns alle: Der bekannte Rekordrichter Olaf Kuchenbecker wurde auf die Bühne gebeten und von ihm konnten wir alle offiziell erfahren, dass wir soeben alle an einem waschechten, amtlich bestätigten Weltrekord beteiligt waren! 1002 Musiker in der Commerzbankarena in Frankfurt am 07. Juli 2019 waren in der Tat die „größte Rockband aller Zeiten!“
Danach wurden noch die Abschluss-Songs in voller Euphorie gespielt und Glitterbomben im Stadion gezündet. Das Publikum, sowie die Musiker und alle organisatorisch Beteiligten waren mit dem einzigartigen Event hochzufrieden. Die Freude und Euphorie, die enorme Anfeuerung durch das Publikum, das war alles allgegenwertig und greifbar.
Das Schlangestehen bei der Kopfhörer-Abgabe, der Abbau des Drumsets samt Schotterpistenweg bis spät nachts nach 1 Uhr hat dann noch ein bisschen wehgetan. Unsere Drumset-Schleppgemeinschaft hat sich dennoch auf dem Parkplatz ein Fläschchen Bier gegönnt, und der Autor dieser Zeilen brauchte dann erst einmal zwei Tage zur Regenerierung.
Sein Fazit: Es war ein tolles Erlebnis mit tollen Begegnungen, neuen Freunden. Samt Vorbereitung und knallharten Probe- und Konzert- Tagen wurde einem da nichts geschenkt. Doch man wurde auch belohnt: Weltrekord! Plus ein unvergessliches Erlebnis und vor allem – sich einen Tag lang fühlen, wie ein richtiger Rock-Star!
(aus STICKS 09-10/2019)
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