Bild: Tom Schäfer
Anika, du hast hier ein Tama Star Bubinga Kit am Start. Worin besteht der persönliche „Anika Nilles Touch“?
Anika Nilles: Die besondere Note ist das „Orange Sparkle“-Finish – eine Farbe, die es offiziell nicht gibt. Ich hatte jahrelang ein weißes Set, davor ein schwarzes Schlagzeug, und ich wollte einfach mal eine Farbe haben. (lacht) Orange passt eigentlich gut zu mir! Eine weitere persönliche Spezifikation ist die Kick mit einer Sondergröße von 20" x 15" statt 20" x 14". Mir fehlte bei der 14 Zoll tiefen Bassdrum immer etwas an Tiefe im Sound. Das eine Zoll zusätzlich mach echt was an Ton und Lautstärke aus.

Zusammen mit Meinl hast du eine sehr eigen klingende Signature Hi-Hat entwickelt – die 18" Artist Concept Deep Hat mit hörenswertem Trash-Faktor. Welche Intention steckt dahinter?
Anika Nilles: Die Deep Hat war von vorne herein als 2nd Hat und klangliche Alternative zu meiner Regular Hat geplant. Ich habe vor allem an der Konstellation der Becken und dem Sound des „Deep Hat“-Konzepts lange getüftelt. Mein Ziel war es, eine 2nd Hat zu kreieren, die total anders klingt als meine Main-Hat. Sie sollte voluminöser sein und trashiger klingen, aber gleichzeitig noch die Funktion einer herkömmlichen Hi-Hat besitzen. Da ich ja schon große 16" Cymbals als Main Hi-Hats spiele, war klar, dass es kleiner als 16" nicht geht. Daher habe ich mit 18" Größen angefangen und verschiedene „Dry“-Modelle sowie auch brillante Becken probiert. Bei den 20"-Größen stellte ich fest, dass sie einfach zu mächtig und schwer zu kontrollieren waren. Auch Stacks tauchten in der Probierphase auf, aber letztlich bin ich zu den 18ern gekommen, mit einer Kombination aus Trash und Thin Crash, weil mir der dunkle und dreckige Sound zusagte. Die „Deep Hat“ besteht also aus einem 18er Thin Crash Bottom und einem 18er Trash Crash als Top-Cymbal.
Die „Deep Hat“ ist allerdings keine Remotebzw. Pedal-Hat, sondern auf einem X-Arm montiert. Du musst dich also auf einen bestimmten Andruck der Becken und entsprechend auf einen Sound festlegen. Oder kannst du das „unterwegs“ mal eben variieren und ändern?
Anika Nilles: Ich muss mir vorher überlegen, welchen Hat-Sound ich im Song haben möchte – ob offen und laut oder leiser und geschlossen. Aber mit ein, zwei Drehungen unten am Halter kann ich das schnell regulieren. Wenn ich die beiden Becken fest aneinander schraube, entsteht ein trockener und klarer Sound, der sehr viel mehr Tiefe, Volumen und Größe besitzt als meine reguläre Hi-Hat links – ein schöner Kontrast! Je weiter ich die Becken öffne, desto mehr tendiert der Sound in Richtung China-Charakter.
Wann und wie setzt du die „Deep Hat“ ein?
Anika Nilles: Sie ist ziemlich vielfältig in ihrer Soundrange und reizvoll für Akzente, kontrastreiche Phrasierungen oder Klangexperimente. Bei Balladen spiel ich sie zum Beispiel komplett offen und man meint „... hä? Geht das überhaupt?“ (lacht) Aber dadurch, dass es zwei aufeinander liegende Crashes sind, ist der Sound eher weich und lang klingend. Bei langsamen, tragenden Songs klingt die „Deep Hat“ sehr raumfüllend.
Zusätzlich hast du noch diverse Percussion-Effekte auf beiden Hi-Hats liegen – Glockenrasseln, Holzschalenrasseln?
Anika Nilles: Bei diesen Dingen geht’s mir explizit um reine Sound-Effekte, und da gibt es verschiedene Percussion-Instrumente, mit denen ich experimentiere. Für einen komplett toten Hat- Sound lege ich auch schon mal ein Tambourine drauf. Das sind wechselnde Spielereien.

Du scheinst im Allgemeinen auf trockene Becken-Sounds zu stehen?
Anika Nilles: Ich würde sogar sagen, dass mein gesamter Drumsound recht trocken ist ...
... also weg von Glanz und Brillanz. Gibt es dafür einen Grund?
Anika Nilles: Ich stehe deshalb auf trocken klingende Becken, weil sie sehr klar sind vom Anschlag her und vom Ton. Obertongeschichten und brillante Becken sind einfach nicht mein Ding. Aber das ist alles eine krasse Geschmacksfrage. Je nach Situation brauche ich ab und zu natürlich auch mal etwas brillantere Cymbal-Sounds, deswegen mische ich hin und wieder ein paar hellere Sounds drunter. Aber meine Hauptbecken, die ich ständig in Betrieb habe – wie Ride und Hat –, sind dunkle Becken. Sie sind vom Charakter nicht nur dunkler und trockener angelegt, sondern klingen in meinen Ohren auch präziser im Anschlag. Selbst bei schnellen Tempi höre ich jeden Schlag. Das ist mir sehr wichtig. Man könnte jetzt sagen, dass brillante und dicke Becken einen ähnlichen Effekt des Anschlags und genauen Tons haben. Aber ich stehe auch nicht auf dicke Becken. (lacht) Ich mag es, wenn ein Becken lebt, wenn es arbeitet und schwingt wie ein Fell. Bei dickeren Becken habe ich immer das Gefühl, gegen einen toten Gegenstand zu hauen. Daher fühle ich mich mit diesen Byzance Dark Cymbals sehr daheim. Und sie passen einfach gut zu meinem gesamten Drumsound: fett, dunkel, wuchtig – sicherlich eins meiner Markenzeichen ...
... und eine deutliche „Anika Nilles Handschrift“. Es sind Sounds, die an programmierten Kram, aber auch an modern R&B/Pop angelehnt sind. Auch deine 8" tiefe Tama SLP Snare klingt wie eine runtergepitchte modern R&B Snare.
Anika Nilles: Das ist ein Snare-Sound, den ich sehr mag und der mich schon lange begleitet hat – noch bevor das losging mit meiner YouTube-Karriere. Damals habe ich viele Danceund Disco-Sachen gespielt. Ich wollte eine Snare, die vom Sound elektrisch angehaucht ist, aber ich wollte diesen Sound ohne Trigger und ohne elektrische Zufuhr hinbekommen. Also habe ich in dieser Richtung viel geschraubt und ausprobiert. Allerdings kommen bei mir auch gerne mal höher gepitchte Snares vor. Unterschiedliche Snare-Sounds sorgen für Inspiration.

Lass uns mal über deinen Set-Aufbau reden. Auffällig ist die Anordnung der Toms vom 12er über das 10er hin zum 16" Floor-Tom. Warum diese verdrehte Reihenfolge?
Anika Nilles: Das kommt daher, dass ich lange Zeit ein ganz kleines Set mit 12" Tom und 16" Floor-Tom gespielt habe. Ich hatte kein zweites Rack-Tom und auch kein zweites Floor-Tom. Irgendwann wurde das Set jedoch größer, und es kam auch ein 10" Tom hinzu. Nur fand ich es komisch, ein 10er Tom direkt vor mir zu haben. Also habe ich 12" und 10" in der Reihe einfach getauscht. Das hat sich für mich direkt besser angefühlt! (lacht) Und es klingt ja auch anders, wenn man zum Beispiel Fills spielt – so klassisch von links nach rechts. Dadurch entwickelt sich eine andere Melodie, und es hört sich manchmal nach einem echt krassen Fill an. Das ist sicherlich ein schöner Effekt, aber nicht der Grund für diesen Aufbau. Begleitend kommt hinzu, dass ich das 10" Tom näher an mich heranziehen kann, so dass auch das Ride-Cymbal näher kommen kann. Ich mag es, alles ganz eng stehen zu haben.
Ein besonderes Merkmal deines Set-Aufbaus sind die geneigten Cymbals, die von dir weggewinkelt sind. Warum ist das so?
Anika Nilles: Jahrelang waren meine Becken fast waagerecht positioniert, und ich hab mich auch jahrelang ständig verletzt, weil ich irgendwo hängen geblieben bin. Also musste ich etwas ändern. Die Becken höher hängen wollte ich nicht, weil ich dann mit größeren und weiter ausholenden Armbewegungen spielen müsste. Inspiriert durch ein Foto des Drumsets von Chris Coleman kam ich auf die Idee, die Becken von mir weg zu winkeln. Dadurch kann ich die Becken anders anschlagen und bin mit meinen Händen weit weg von allen Gefahrenstellen, bei denen ich mich vorher verletzt hatte. Ein weiter Vorteil ist, dass ich die Becken besser kontrollieren kann. Beim Anspielen drück ich sie ja quasi runter, während der Stick und meine Hand in der Bewegung parallel laufen. Früher hatten sich die Becken gegen meine Bewegung aufgeschaukelt und gedreht. Aber mit der gewinkelten Position kann ich die Becken super kontrollieren.
Vielen Dank für die aufschlussreichen Erläuterungen!
Und in diesen Videos vom Mai 2020 kann man das Drumset sehen und hören:
https://www.facebook.com/AnikaNilles/videos/905069956619248/
https://www.facebook.com/AnikaNilles/videos/697389777691369/
Equipment
Drums: Tama Star Bubinga
- (Orange Sparkle Finish)
- 20" x 15" Bassdrum
- 12" x 9" Tom
- 10" x 8" Tom
- 16" x 15" Floor-Tom
Snaredrum: Tama
- 14" x 8" SLP Big Black Steel Snare
Cymbals: Meinl
- 16" Byzance Extra Dry Medium Thin Hi-Hat (Main)
- 18" Artist Concept Model Anika Nilles Deep Hat (2nd)
- 20" Byzance Extra Dry Thin Crash
- 24" Byzance Extra Dry R&D Ride (Prototyp)
- 22" Byzance Vintage Crash Ride (rechts)
Felle: Evans
- Snaredrum: Onyx (black)
- Toms: G2 coated
- Bassdrum: EMAD Heavyweight
Drumsticks: Vic Firth
- American Sound AS7A
Percussion Effects:
- Glockenrassel
- Holzschalenrassel