Bild: Copyright by RAYMOND CLEMENT
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Interview aus dem STICKS-Archiv

Interview: Benoit Martiny – Spiel ohne Grenzen

Benoit Martiny ist als Schlagzeuger, Band-Leader und Komponist ein wahrer Grenzgänger zwischen Rock und Jazz. Mit seiner Benoit Martiny Band feiert er 2020 fünfzehn Jahre Recordings auf mittlerweile sechs Alben und zwei DVDs, angefangen von Rock-beeinflussten Jazz-Exkursionen bis hin zu nahezu sinfonisch konzipierten Werken, inspiriert von Rock, Jazz und Psychedelic, wie dem im Oktober 2020 erscheinenden Album „Moons of Uranus“.

| Axel Mikolajczak

STICKS: Benoit, angefangen hat deine Band 2004 während deines Studiums am Konservatorium in Rotterdam, und das erste Album 2005 trug den treffenden Titel „Jazz goes Garage“, als Crossover von grungy Rock und Jazz. Mittlerweile tretet ihr in der Luxemburger Philharmonie auf und habt dort als Basis für euer neues Album „Moons of Uranus“ ein Konzert mit erweiterter Besetzung fast schon als Bigband aufgenommen
BM: „Moons of Uranus“ ist ein spezielles Projekt meiner Band, die ja eigentlich ein Quintett ist. Hierzu haben wir auch wieder einige musikalische Gäste eingeladen und wie „Grand Cosmic Journey“, das Album davor, ist auch „Moons of Uranus“ ebenfalls live aufgenommen. Dieses Mal haben wir das Konzert im ausverkauften „Kleinen Saal“ der Philharmonie in Luxemburg aufgezeichnet. Das Konzert 2019 war ein sehr spezieller Event, wir waren dabei immerhin elf Musiker und dazu noch zwei VJs für die live Video-Einspielungen. Die Basis des Albums ist also live eingespielt, doch ich habe noch ein Intro und ein Outro drangehangen.

Auch das Album „Grand Cosmic Journey“ davor war schon ein besonderes Projekt, das wir gemacht haben, um auf dem „Like A Jazz Machine“-Festival in Dudelange aufzutreten. Der Hintergrund war, dass die Direktorin des Festivals zwar meine Musik recht gut fand, für das Festival aber gerne etwas mehr jazz-orientiertes haben wollte. Also haben wir dieses Album ein wenig mehr in einem jazzigen Style produziert. Ich habe das Problem übrigens recht oft gehabt, dass meine Musik für einige etwas zu sehr „Rock“ und für andere zu sehr Jazz war. Im Fall von „Grand Cosmic Journey“ haben wir zur Benoit Martiny Band noch einige „echte“ Jazz-Musiker hinzugenommen … (lacht) … Michel Pilz und Roby Glod – ein fantastischer, genialer Saxofonist. Ich habe dann einige neue Titel geschrieben, die mehr jazz-orientiert waren, obwohl wir natürlich den Rock nicht ganz aufgegeben haben. Daraus ist dann das Album und eine DVD entstanden.
Als dann 2019 dieser Event in der Philharmonie anstand, dachte ich, okay, ich mache jetzt eine Weiterführung von „Grand Cosmic Journey“, und für mich ging das noch nicht weit genug in diese „kosmische“ Richtung, die ich dann mit der Band und den Gästen für „Moons of Uranus“ mit komplett neuen Kompositionen weiterentwickelt habe.
Das Album „Trauerspill“, das wir vor „Grand Cosmic Journey“ gemacht haben, war noch wesentlich mehr rock-orientiert. Das war eine richtige Studio-Produktion, zu der ich auch einige Musikerfreunde und den Sänger Mark Lotterman eingeladen habe. Das war das erste Album, das wir auch auf Vinyl veröffentlicht haben. 

STICKS: Bei der Benoit Martiny Band bist du ja nicht nur der Schlagzeuger sondern du komponierst auch die Musik. Bist du der alleinige Komponist oder sind die anderen Musiker auch beteiligt?
BM: Ich bin zwar der Komponist, doch ich arbeite immer mit den anderen Musikern zusammen, oder wie im Fall von „Trauerspill“ zum Beispiel mit dem Musiker und Produzenten Alejandro Londono mit dem ich auch in der Metal Band Cultura Tres gespielt habe. Von ihm kamen dann Vorschläge, wie zum Beispiel eine Melodie zu ändern, und er hat dem Album diesen gewissen Sound verliehen und uns gezeigt wie man so einen Sound bekommt. Für dieses Album hat der Sänger Mark Lotterman die allermeisten Texte geschrieben, allerdings auf Themen aus meiner Perspektive. Im Großen und Ganzen schreibe ich alles, aber ich habe auch immer wieder Leute, die mir etwas helfen. Und die Band sorgt dafür, dass das alles auch gut klingt! Ich komponiere zwar die Basis, doch an den Details arbeiten dann alle, zum Beispiel macht der Gitarrist etwas interessanteres, wenn ich mal einen banalen Akkord schriebe. Ich schreibe die Struktur, die Melodien, die Rhythmen natürlich.

STICKS: Da du also komponierst kann man davon ausgehen, dass du außer Schlagzeug auch noch andere Instrumente spielst?
BM: Ja, ich spiele etwas Boogie Woogie auf dem Klavier! (lacht) Ich bin zwar kein großartiger Pianist, doch es reicht durchaus, um Song-Strukturen zu komponieren, oder einen schönen Blues zu spielen oder meine Schüler zu begleiten, wenn sie Schlagzeug spielen. Und ich spiele auch etwas Gitarre, also Grunge-Guitar, Power Chords, so in der Art, auch mal um zu komponieren. Am Bass hatte ich zwei Jahre lang Unterricht. Ich halte es für wichtig, dass man versteht, warum der Bassist so genervt ist, wenn der Drummer wieder mal so ein merkwürdiges Fill macht! (lacht) Also habe ich mir gedacht, dass es gut wäre, mal gründlich Bass zu lernen. Zwar kann ich all diese Instrumente nicht wirklich professionell spielen, aber es reicht, um Song-Demos zu machen, woran man erkennen kann, worum es geht.

STICKS: Was das Instrumente lernen angeht: Gab es einen bestimmten Punkt, an dem dich das Schlagzeug so fasziniert hat, dass du das unbedingt spielen und lernen wolltest?
BM: Jedes Kind fängt ja irgendwann mal an, auf alles Mögliche drauf zu hauen. Ich hatte schon als ich sehr klein war so eine Fisher Price Trommel, die man öffnen konnte, und in der dann noch andere Percussion-Instrumente drin waren. Als kleiner Junge bin ich damit schon ums Dorf gezogen und habgetrommelt. Und da war so ein Typ, der hat mir dafür immer Kekse als Belohnung gegeben …

STICKS: … du hast also schon als Kind deine eigenen Konzerte veranstaltet und bist dafür bezahlt worden?
BM:(lacht) Ja, richtig, so war das! Mein Vater war eine Zeit lang professioneller Pianist, und meine Mutter konnte auch Klavier spielen und hat immer im Chor gesungen. Bei den Chor-Auftritten während der Weihnachtszeit in der Shopping Mall saß ich dann immer neben dem Schlagzeuger und war total fasziniert davon. Also war schon als ich so etwa sechs Jahre alt war klar, dass ich an diesem Instrument interessiert bin. So mit etwa sieben Jahren habe ich dann begonnen, Schlagzeugunterricht zu nehmen. Zunächst klassische Perkussion, Kleine Trommel und auch Xylofon, doch das hat mich nicht so interessiert. Ich wollte richtig Drumset spielen. Damals habe ich auch nicht verstanden, dass es auch dafür wichtig ist, Rudiments zu lernen. Erst mit etwa dreizehn Jahren hatte ich dann Unterricht am Drumset. Ich war zuvor am etwa drei Jahre am Konservatorium in Luxemburg, und ich fand das eher schrecklich, wie überhaupt die Atmosphäre am Konservatorium. Als es dann hieß, dass ich vor dem Unterricht am Set noch zwei weitere Jahre mit Solfège, also Spielen von Notenleseübungen und Partituren verbringen sollte, bin ich dann da weg und habe bei Boris Dinev angefangen, einem bulgarischen Master Percussionist, der in den 90er-Jahren nach Luxemburg gekommen war und an einer regionalen Musikschule Unterricht gab. Später bin ich ihm nach Echternach an die Musikschule gefolgt, wo ich heute übrigens auch selbst unterrichte. Es war die sehr gute Entscheidung eines dreizehnjährigen Teenagers, bei diesem musikalisch breit aufgestellten Lehrer Unterricht zu nehmen. Er war nicht nur klassischer Perkussionist, sondern konnte am Drumset auch alle Styles wie Rock, Jazz, Latin spielen. Der wichtigste Rat, den er mir gab, war, immer offen für alles zu sein, denn in jeder Musik gäbe es Interessantes zu entdecken.

STICKS: Das merkt man auch an deiner Musik, denn auch hier gibt es sehr viele interessante Dinge aus fast allen denkbaren Styles zu entdecken, nicht nur Rock und Jazz, sondern auch World Music und sogar klassische Orchestermusik. Und jedes Mal, wenn man die Musik deiner Band und deren Projekte hört, entdeckt man wieder neue Details, die man meint, irgendwoher zu kennen, und doch ist es letztendlich immer wieder etwas ganz Eigenes.
BM: Das freut mich sehr zu hören! Man muss allerdings sehr aufpassen, wenn man solche Art Fusionen macht, denn das kann auch mal nach hinten losgehen oder geschmacklos wirken. Ich habe in meinem Leben glücklicherweise viele Stile gespielt, und ich finde in jeder Musik etwas, das mich berührt und was ich interessant finde. Das versuche ich dann für meine Musik zu adaptieren. Der „rote Faden“ in meiner Musik bin also immer ich selbst. Allerdings kann das auch zu einem Problem werden, denn unsrer Band lässt sich so nur schwer kategorisieren und sie passt auch nicht in eine stilistische Schublade, weil unsre Alben eben sehr verschieden sind. Passt das nun zu einem Jazz-Festival oder zu einem Rock-Festival? Am ehesten wahrscheinlich zum Burg Herzberg Festival. (lacht) Doch egal wo wir gespielt haben, dem Publikum hat es letztlich immer gut gefallen.

STICKS: Bei all den unterschiedlichen Einflüssen merkt man allerdings, dass du daraus immer etwas sehr persönliches machst.
BM: Ich habe sehr viel stilistisch verschiedene Musik gespielt, zum Beispiel Afrobeat. Aber ich bin nun mal nicht aus Afrika. Ich kann also nur etwas kopieren, doch dann muss ich das für mich selbst neu interpretieren, damit es auch authentisch wird. Das geht nicht, wenn ich versuchen würde, wie ein Afrikaner zu spielen. Seit ein paar Jahren gehören auch die Krautrock-Bands zu meinen musikalischen Einflüssen, Amon Düül zum Beispiel. Und vor kurzem hab ich noch eine Platte von Guru Guru gekauft. Birth Control kannte ich schon etwas länger. In Deutschland gab es in den 70er-Jahren eine unglaublich interessante Jazz- und Rock-Szene, da ist wirklich was abgegangen. Ich bin allerdings erst später durch einen Freund darauf aufmerksam geworden, der viele dieser Platten in seiner Sammlung hatte und mir sagte, dass meine Band ein wenig so klingen würde oder wie britische Jazzrock-Bands aus dieser Zeit, wie Soft Machine. Frank Zappa war und ist natürlich auch ein großer Einfluss, besonders die Jazz-Bigband-Projekte aus den 70er-Jahren, und auch die Aufnahmen des Sun Ra Arkestra.
Doch bei mir waren eigentlich eher die Rock-Bands die ersten Einflüsse, Led Zeppelin, Jimi Hendrix, Jazz habe ich erst später entdeckt. 2001 bin ich an das Konservatorium in Rotterdam gegangen, wo ich fünf Jahre lang studiert und auch Jazz-Schlagzeug gelernt habe. Man sollte sich als Drummer unbedingt mit Jazz befassen, denn da kommt doch eigentlich das Schlagzeug her. Die ersten großartigen Drummer waren Jazz-Drummer, und alle großen Rock-Drummer der 60er und 70er waren von ihnen beeinflusst, auch John Bonham, der ja der größte Rock-Drummer war. Auch er ist beeinflusst worden von Jazz-Drummern wie zum Beispiel Buddy Rich und Gene Krupa, so wie auch Ian Paice, Mitch Mitchell und John Densmore von The Doors.

STICKS: Waren es denn eher die Drummer oder die Musik selbst, die dich beeinflusst hat?
BM: Mich fasziniert an dieser Musik die Art der Improvisation, wie auch bei Led Zeppelin, die in der Lage waren, ein Stück auf 45 Minuten zu ziehen, ohne dass es langweilig wurde. Diese Freiheit zu improvisieren, das kommt alles aus dem Jazz. Irgendwann dachte ich, es wäre doch geil, in einer Band mal eine verzerrte Rock-Gitarre zu haben über die dann die Bläser spielen – ohne all diese Jazzrock-Bands zu kennen! (lacht) So fing das an. Ich habe damals dann das Album „Blues and Roots“ von Charles Mingus gehört und dachte, das ist doch eigentlich Rockmusik, da fehlt doch nur eine verzerrte Gitarre.
Nachdem ich mir jetzt die Platten der Krautrock-Bands und von Soft Machine gekauft habe, habe ich die Einflüsse aus dieser Musik bei „Moons Of Uranus“ bewusster verarbeitet. Vorher war es vielleicht eher so, dass ich zum Beispiel Led Zeppelin oder Nirvana als Einfluss aus Rock und Grunge genommen habe und dies dann mit Bläser-Arrangements verbunden habe.

STICKS: Und die Musiker für diese Projekte hast du am Konservatorium in Rotterdam kennengelernt?
BM: Schon im ersten Monat habe ich meinen Bassisten kennengelernt, Sandor Kem aus Ungarn. Wir haben dann auch zusammen gewohnt und mit allen und jedem auf jeder Jam Session gespielt. Wir wollten 2005 auch zusammen in New Orleans ein Auslandssemester studieren, das ist dann aber wegen Hurricane Katrina ausgefallen, und wir landeten dann an der University of North Texas im Jazz Department, einem der ältesten der USA. Dort waren wir drei Monate und sind dann nach New York weitergezogen. Damals gab es die Band schon, allerdings mit immer wechselnden Musikern vom Konservatorium, die ja von überall her kamen, aus Belgien und aus Köln, nur Sandor, der Bassist ist bis heute dabei. Die Musiker, die jetzt in der Band spielen, habe ich tatsächlich am Konservatorium kennengelernt und sie leben auch alle In Holland.

STICKS: Spielst du auch noch in anderen Bands oder bei anderen Projekten?
BM: Im Moment habe ich nur wenig Zeit dafür, und so spiele ich nur noch in einer anderen Band, das ist De Läb, eine luxemburgische HipHop-Band, bei der ich schon über fünf Jahre spiele. Mit der Band Mdungu, die sich während des Studiums aus einem Schulensemble entwickelt hat, habe ich lange Zeit in Holland und auch international – in China, in Kanada, in Istanbul in der Türkei – Afrobeat-Musik gespielt. Bei dieser Band habe ich dann auch die ganze afrikanische Musik für mich entdeckt. Zusammen mit dem Aufenthalt in den USA hat mich das dann erleuchtet, wie das Ganze, also World Music, Afrobeat, Jazz und Rock, zusammenhängt, wo das alles herkommt und wie das alles verzweigt ist. Da merkt man auch, wie falsch all diese Puristen liegen, denn es gibt eigentlich keine „pure“ Musik. Das finde ich sehr faszinierend.

Fünf Jahre lang habe ich auch bei Cultura Tres gespielt, einer venezuelanischen Metal-Band aus Amsterdam, mit der wir auch ein Album aufgenommen haben, doch bei dieser Band und auch bei anderen Projekten habe ich letztes Jahr aufgehört, um mich mehr meiner eigenen Band widmen und mich auf das „Moons Of Uranus“-Projekt konzentrieren zu können. Ich wollte mit meiner Band mehr proben und mehr spielen, denn sie hat echt Potenzial!

STICKS: Euer Potenzial entfaltet sich jetzt in diesem Schmelztiegel, in dieser Mischung der unterschiedlichsten Styles, die ihr zu etwas faszinierendem, eigenartigem Neuen formt.
BM: Unsere Einflüsse sind nicht nur die aus unserer westliche Tradition, sondern sie kommen aus all dem, was wir an Musik entdecken und mitbekommen und was uns davon berührt. Ich mag Musik, die ein wenig „schmutzig“ ist, von so ganz cleaner Fusion bin ich kein Fan, da kann ich nicht viel mit anfangen. Letztlich ist es immer eine Geschmackssache. Was berührt einen? Und was berührt einen nicht oder weniger? Das macht es ja auch so schwierig über Musik zu diskutieren. Wichtig ist doch nur, dass man sich beim Musikhören oder Spielen gut fühlt!

STICKS: Und es ist mittlerweile geradezu schon ein Geschenk für Musiker, wenn man genau das Spielen kann, was man mag und wobei man sich gut fühlt, ohne kommerzielle Zugeständnisse.
BM: Bei meiner Band ist das genau so. Das ist auch ein bisschen wie mein Spielplatz, wo ich die Freiheit habe zu tun und zu lassen was ich will. Doch auch in dieser Band machen wir Kompromisse. Wen einem etwas nicht gefällt oder jemand etwas ändern will, dann habe ich dafür natürlich ein offenes Ohr. Oder je nachdem bei welchen Gelegenheiten oder an welchem Ort wir spielen. Spielen wir in einem kleinen Club, dann spielen wir eben die etwas leiseren, jazzigen Sachen. Wir haben mittlerweile einen ziemlich großen Katalog von unterschiedlichen Stücken, die wir spielen können. Die Gefahr liegt natürlich darin, dass Leute, die uns nicht gut kennen, unsicher sind, was wir denn genau sind – eine Jazz-Band oder eine Rock-Band? Es ist ähnlich wie bei Frank Zappa, da war ein Album mal mehr Rock, ein anderes mehr Jazz, aber immer typisch Zappa. Auch bei uns sollte man jedes Album als einen Teil eines Ganzen sehen.

STICKS: Eure Art Musik zu machen erinnert mich auch teils an Frank Zappa. Stilistisch vielfältig, bei aller Freiheit sehr strukturiert …
BM: … und auch mit ein bisschen Humor! (lacht)

STICKS: Dein Humor kommt auch sehr gut im Video der Serie „This is where I work, Episode III“ rüber, und da machst Du auch gleich zu Anfang ein sehr interessantes Statement: „I don’t work – I play!“ Und wenn man dir und auch deiner Band zuhört, dann merkt man auch deutlich, dass ihr Musik spielt und nicht „arbeitet“.
BM: Das Video ist mir heute ein bisschen peinlich, aber ich wollte etwas mit Humor machen. Die anderen Videos in dieser Reihe über Musiker sind alle sehr, sehr ernst. Musik arbeitet man nicht, Musik spielt man! Man kann damit seine eigene Welt kreieren. Anstelle dass man sie mit Lego baut, baut man sie eben mit Musik! „Arbeit“ ist in diesem Zusammenhang ein schreckliches Wort! Vor allem wenn man so faul ist wie ich. (lacht) Ich war halt nie der Typ, der acht Stunden am Tag probt. Und deshalb bin ich auch nicht wie Tony Williams mit 16 Jahren zu Miles Davis gekommen und habe das Schlagzeug neu erfunden. (lacht)

STICKS: Zu „The Moons of Uranus“ gibt es ein interessantes Live-Video von euch, bei dem ihr in einem Apartment spielt. Und du spielst da auf einem sehr reduzierten Drumset, mit einem Tuch über der Snare, ihr benutzt kleine Amps, doch es klingt immer noch so, wie ihr eigentlich klingt. Das ist für mich ein sehr gutes Beispiel, das ihr immer nach euch klingt, egal in welchem Setting. Euer Sound kommt offensichtlich daher, was ihr spielt, wie ihr es spielt und nicht daher, welches Equipment ihr verwendet.

BM: Das freut mich, dass du es so empfindest. Es ist schließlich sehr wichtig dass man einen eigenen Sound und eine eigene Identität als Musiker oder auch als Band kreiert. Was Sound angeht, so habe ich gerade in den letzten Jahren sehr viel gelernt. Wir haben bei unseren älteren Alben oft auch einen etwas „trashigeren“ Sound, da hätte ich vielleicht mal die Snare stimmen sollen … (lacht) … oder wir hätten damals mal jemanden fragen sollen, der uns besser aufnehmen kann und nicht selbst im Wohnzimmer etwas versuchen sollen. Aber auch das hat ja vielleicht seinen Charme.
Das Video in diesem Apartment ist bei einem Freund in Rotterdam entstanden, der es uns eigentlich zum Proben zur Verfügung gestellt hat. Daher auch das Mini-Drumset und das minimale Equipment. Unser Gitarrist Frank Jonas ist sehr talentiert, was das Aufnehmen und Mixen angeht. Er hatte einige Mikrofone mitgebracht und seinen Computer, hat die Probe aufgenommen und später abgemischt. Es klingt wirklich sehr gut. Interessant an diesem Video ist, dass wir es schon im September 2019 aufgenommen haben, und mein Freund, der uns das Apartment zur Verfügung gestellt hat, ist der Typ mit der Maske in diesem Video. Eigentlich war das nur ein Spaß. Wir haben gedacht, hey, machen wir doch ein Video hier und haben das mit unseren iPhones geschossen. Als wir es dann rausgebracht haben, war es schon in der Corona-Zeit, und so passt es jetzt auch thematisch in diese Zeit: Typen, die in einem Apartment spielen, und da sitzt jemand mit Maske als Zuhörer. Da waren wir unserer Zeit voraus. 

STICKS: Hoffen wir, das wir euch bald auch in Deutschland live erleben können! Vielen Dank Benoit für das interessante Gespräch und alles Gute für die Band und das neue Album!

PROFIL

Jahrgang: 1980
Sternzeichen: Waage
geb. in: Luxemburg
lebt in: Luxemburg
reist gerne nach: Uranus ?
isst gerne: italienisch und asiatisch

Lieblings-Buch:
Johann-Wolfgang Goethe – Die Leiden des jungen Werther

Lieblings-Film/Serie:
Film: Indiana Jones And The Last Crusade
Serie: aktuell „Stranger Things“ und früher „Knight Rider“

3 Alben für die einsame Insel:
Led Zeppelin – Physical Graffiti
Miles Davis Quintet – Miles In The Sky
Fela Kuti – Expensive Shit

Drummer, die ihn beeinflusst haben:
John Bonham, Keith Moon, Dave Abbruzzese, Stewart Copeland, Han Bennink, Danny Richmond, Philly Joe Jones, Elvin Jones, Tony Williams, Max Roach, Tony Allen … und viele anedere!

YouTube-Tipps:
YouTube ist ein großartiges Archiv für Musik! Jeden den man sich mal genauer anschauen will findet man hier, jeden Künstler, jede Band, dazu viele Drum Tutorials. Ich nutze YouTube oft, um weiter zu lernen. Aber YouTube ist auch gut für Lustiges, wie z. B. das hier: https://youtu.be/NNNjbWYiUog

Den coolsten Drum-Groove hat gespielt …
Tony Allen beim Song „Water No Get Enemy“ auf dem Album „Expensive Shit“ von Fela Kuti.

Mit welcher Band/welchem Künstler würdest du gern einmal spielen?
Mit Robert Plant! Mit Jimi Hendrix geht es ja leider nicht mehr. Und es gibt noch so viele andere …

EQUIPMENT TALK

Benoit über seine Drums:

Aktuell habe ich jetzt zwei Tama Schlagzeuge, mit denen ich alles spiele und die mir sehr gut gefallen, da sie sehr effizent sind, gute Hardware haben und ein schönes Design. Ich habe ein Tama Silverstar Jazz Kit mit 18″ Bassdrum, 14″ Floor-Tom, 12″ Tom und einer 14″ x 5″ Snaredrum. Für Rock und ähnliches spiele ich mein Tama Superstar Hyperdrive Rock Kit mit 22″ Bassdrum, 10″ und 12″ Toms, 14″ und 16″ Floor-Toms mit den kurzen Kesseln und einer 14″ × 5,5″ Snaredrum.

Mein erstes Schlagzeug war ein Premier Kit, mit ziemlich großen Kesseln und dazu ein Starter Cymbal Set von Paiste, mit einem Ride-Becken und Hi-Hats. Mein erstes Lieblings-Crash war dann ein 14″ Paiste 2000 Sound Reflections Crash, das war so schön dünn und hat super geklungen. Ich mag bis heute ziemlich dünne Crash-Becken. Später hatte ich dann viele UFIP-Becken, von denen mir vor allem die der „Rough Series“ gefielen, obwohl die eigentlich recht dick sind. Zu der Zeit spielte ich viel Metal, da passten dieses Cymbals sehr gut. Und ich mag bis heute die 13″ Hi-Hat der UFIP Rough Series.

Damals haben mich zwar auch andere Instrumente sehr interessiert, aber es gab zu der Zeit leider nicht sehr viele Geschäfte mit großer Auswahl in Luxemburg, und zudem war ich ja in dieser Zeit auch noch finanziell von den Eltern abhängig. Nach meinen Teenager-Jahren hab ich mir allerdings gedacht: „it’s not the instrument, it’s the drummer!”. Also wollte ich halt versuchen, etwas aus jedem Schlagzeug zu machen, was mir unter die Stöcke kam. Das war am Ende nicht schlecht, da man ja als Schlagzeuger oft auf anderen Sets spielt, auf Festivals zum Beispiel. Daraus folgend hatte ich aber in dieser Zeit dann auch kein Schlagzeug, das mir wirklich gefiel, in all den neuen musikalischen Stilen, die ich damals spielte, die von Jazz über World Music bis Jazzrock reichten.

Seit etwa 10 Jahren lege ich also wieder mehr Wert auf das Material, da ein gutes Instrument schon sehr viel zu einem guten Sound beitragen kann, neben dem Stimmen und Spielen natürlich. Meine Tama Drumsets sind jetzt vielleicht nicht die teuersten und besten der Welt, doch für ihren Preis bieten sie echt eine sehr gute Qualität. Natürlich will man auch mal gern das Ludwig Bonham Style Set haben, aber wie passt die Band noch ins Auto wenn die 26″ Bassdrum schon drin ist? (lacht)

Bei den Becken sind meine Lieblings-Rides ein 20″ Istanbul Ride mit Sizzles und ein 20″ Ride der Marke „Cobra“, das mich 60 Euro gekostet hat und ein bissel trashig klingt, ein bissel aber auch wie ein Tony Williams Ride. Was Hi-Hats angeht liebe ich die 14″ Paiste Formula 602 Sound Edge, die ich übrigens bei allen möglichen Stilrichtungen einsetze. Was Crash-Becken betrifft, liebe ich die „Vintage“-Reihe von Amedia Cymbals. Eine andere türkische Marke, von der ich einige Cymbals habe und gern einsetze ist Bosphorus. Davon habe ich einige sehr dünne Chinas und Effekt-Becken, die klingen sehr gut.

Meine Lieblings-Snaredrum ist im Moment einfach die Snare vom Tama Superstar Schlagzeug – ein simples Modell, klingt aber einfach sehr gut, und da sie klanglich auch flexibel ist, benutze ich sie für die meisten Sachen, die ich spiele.

Meine Lieblings Hardware ist auch die von Tama. Das Bassdrum-Pedal ist eine Tama „Iron Cobra“ und auch die anderen Hardware-sachen von Tama sind schon sehr robust und sehr flexibel bei der Einstellung, obwohl sie recht einfach konstruiert sind. Die Sachen sind simpel, effizient und gehen nicht so leicht kaputt.

Was Felle angeht, so experimentiere ich noch immer, hauptsächlich mit den Marken Remo und Evans. Für Rock mag ich die Evans G2 Felle für die Toms und das Evans Genera Dry Fell für die Snare. Damit kann man die Snare tief stimmen, ohne dass man zu viele Obertöne bekommt. Für die Bassdrum mag ich das Remo Powerstroke 3 coated Fell. Beim Jazz-Schlagzeug hab ich im Moment die Ambassador X coated von Remo drauf, da die ein bissel dicker sind als einfach nur Ambassador coated und somit die Obertöne mehr in Schach halten. Somit sind sie auch leichter zu stimmen, wie ich finde.

An Sticks benutzte ich in letzter Zeit viel Balbex und Vic Firth. Balbex hat einige sehr dünne Stöcke mit runden Spitzen, die ich sehr gerne für Jazz benutze, denn die helfen mir dabei, nicht zu laut zu spielen! (grinst)

Bei vielen Projekten setze ich auch gerne viele Spielzeuge ein, Percussion-Effects, teils von einem Freund selbstgebaut. Bei “Moons of Uranus” habe ich mir von der Philharmonie Luxemburg zwei stimmbare Kesselpauken und einen großen Gong geliehen. Diese extra Sounds einzusetzen macht mir sehr viel Spaß! Schade nur, dass das Zeugs nicht in meinn Auto passt! (lacht)

DISCOGRAFIE

BENOIT MARTINY BAND

 
„Jazz goes Garage“ (CD, 2005)


„Benoit Martiny Band“ (CD, 2008)


„Isolation Nation“ (CD, 2010)


„Trauerspill“ (CD, 2013)


„The Grand Cosmic Journey“ (CD/DVD, 2016)


„Moons of Uranus“ (CD, Vinyl, Download, 2020)

Das Album „Moons of Uranus“ wird am 15. 10. 2020 veröffentlicht und ist als Download, CD und Doppel Vinyl LP erhältlich.

INTERNET

benoitmartinyband.com/

youtube.com/channel/UCekJ4WcNDwonp1lagK5WVJA

youtube.com/results?search_query=benoit+martiny+band

facebook.com/benoitmartinyband1

instagram.com/explore/tags/benoitmartiny/?hl=de

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