Aufmacherbild: Tom Schäfer
Der sowohl spieltechnisch als auch musikalisch kreativ hervorragend spielende Schlagzeuger Jakob Hegner erzählte uns beim Dresdner Drum & Bass Festival seine Geschichte, und von hybriden Drum-Sounds und dem außergewöhnlichen Klangkonzept der Band LUT.
Interview
Jakob, warst du immer schon auf dem Trip des Sound- und Groove-designten Schlagzeugspiels?
Das ist das Ergebnis einer langen Reise. Anfangs habe ich mich für Rock-Drumming und Metal interessiert. Da konnte man schnell und laut spielen! (lacht) Für mich war das geil, in solchen Bands zu trommeln. Ich habe mich irgendwann dazu entschlossen, professioneller Schlagzeuger zu werden. Allerdings ist das Angebot an Studiengängen in Deutschland überwiegend in Richtung Jazz ausgerichtet. So habe ich mich intensiv mit dieser Musikrichtung befasst. Diese Materie war für mich komplett neu. Ich habe mir eine Liste der wichtigsten 100 Jazz-Alben zusammengestellt und diese intensiv angehört, um den Wortschatz des Jazz-Drummers zu verstehen.
Von Metal zu Jazz ist musikalisch ein recht großer Sprung.
Ja, aber ich habe direkt die Aufnahmeprüfung bestanden und einen Platz in Dresden an der HFM bekommen. Generell gehört Jazz in Deutschland nicht unbedingt zur Gesellschaftsmusik. Jazz ist erstmal weit weg und exotisch. Und es war auch nie meine Natur, weil ich damit nicht groß geworden bin. Mit der Zeit habe ich mich vom Jazz wieder etwas entfernt und bin auf die Suche gegangen, um das zu entdecken, was meiner eigenen musikalischen Wahrheit entspricht. Nach zwei intensiven Jazz-Jahren bin ich ziemlich im HipHop, R&B und Soul hängengeblieben. Prinzipiell erkenne ich darin die Symbiose aus allem, was mich musikalisch vorher begleitet hat, nämlich heavy Musik mit Beat und Lautstärke sowie der Jazz-Touch in Chords und Spielweise.
Dieser Style-Cocktail ist so etwas wie ein Trademark eurer Band LUT. Vielmehr noch habt ihr ein homogenes Klangbild daraus erschaffen ...
Die Liebe zu diesen Styles ist das, was uns verbindet. Wir sind untereinander sehr kommunikativ, was den Austausch von Tracks und Platten-Tipps angeht. So entstehen vielartige Inspirationsquellen und wir lassen musikalisch alles zu.
LUT klingt soundmäßig sehr detailliert, vielschichtig, transparent und dynamisch ausgearbeitet. Das geht von Beat-Miniaturen über atmosphärische Sound-Flächen bis hin zu ungewöhnlichen Chords. Ist Klangästhetik ein großes Thema?
Absolut! Wir sind quasi den umgekehrten Weg gegangen und haben zunächst durch lange Recording-Prozesse unseren Sound herausgearbeitet, bevor es überhaupt zu ersten Live-Auftritten kam. Normalerweise arrangieren Bands ihre Songs im Proberaum, spielen dann Konzerte und danach geht man ins Studio. Das Problem daran ist, dass man in seinen eigenen Fähigkeiten manchmal hängenbleibt und ein Potenzial an Ideen dadurch verloren geht. Deswegen haben wir bewusst den umgekehrten Weg eingeschlagen und uns von Beginn an regelrecht eingebunkert, um uns ausschließlich auf Komposition zu konzentrieren und unsere Visionen rauszulassen. So sind im Alleingang 16 Tracks für das Album „Diving“ entstanden.
Wir haben uns sehr in Sound-Details reingearbeitet, was man bei einer Probe niemals tun würde. Und wir haben alle Mittel einfach zugelassen, zum Beispiel einen Beat am Rechner zu bauen, Tracks auch mal fragmentarisch umzudrehen oder ungewöhnliche Chords einzusetzen, die aus der Feder eines Nicht-Harmonikers stammen. Jeder in der Band war mal Komponist und auch mal Chef des Beats. Man muss es nur zulassen. Unser Bassist Karl Kindermann hat Drum-Beats geschrieben, auf die ich selber nie gekommen wäre. Das bringt diesen Twist und diese Ausgechecktheit und Tiefe in unsere Musik. Karl und ich haben die gesamten Recordings gemacht, die an verschiedensten Orten entstanden sind. Für LUT war es eine intensive einjährige Reise. Anschließend habe einen Monat lang jeden Tag acht Stunden das Album ausproduziert und gemischt.
Das Konzept und der Sound eurer Live-Konzerte schöpfen damit aus dem Fundus des vorher Produzierten?
Bei unseren Konzerten versuchen wir das ganze Klangspektrum so detailreich wie möglich zu reproduzieren. Das geht nicht immer, und manchmal muss man die Form aufbrechen, um es für die Bühne lebendig zu gestalten.
Dein Spiel erscheint wie eine Melange aus der Sinnlichkeit für Minimalismus und dem dramaturgischen Gespür für den fetten Beat im richtigen Moment. Das ist alles andere als Show-Off-Drumming, sondern einfühlsame und musikalische Kraft im Kontext der Band. Wie stehst du dazu?
Ich glaube, musikalisches Gespür ist eher meine Qualität. Ich war immer ein Band-Drummer und kann besser den Song gut klingen lassen als Solo zu spielen. Wenn ich mit einer Band spiele, versuche ich den Song wie ein Producer zu hören, um ihm das zu geben, was er braucht. Als Schlagzeuger hat man in dieser Hinsicht unglaublich viele Möglichkeiten und eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Du bist ein abwechslungsreich spielender und ebenso technisch versierter Drummer, wobei du deine Skills eher defensiv aber doch wunderbar musikalisch einsetzt, um dem Klangkörper LUT einen Sinn zu geben. Richtig?
Oft ist es nicht das Fill, was den Song ausmacht, sondern die Konsistenz des Grooves und die Energie, die ich der Band gebe. Das Schlagzeug ist ein Teil des Gesamtkonzepts und so sehe ich auch meine Rolle in der Band. Ich muss nicht zeigen, was ich alles draufhabe.
Und es ist die große Kunst Dinge einfach mal wegzulassen?
Ich versuche den momentanen Zeitgeist auf dem Schlagzeug abzubilden. Es ist schon so, dass heutzutage die Producer die Schlagzeugwelt bestimmen. Und das sind Leute, die Drum-Tracks an der 808 (Roland TR-808, legendäre Drum-Machine, Anm. d. Red.) erfinden und mit Sequencern arbeiten. Manche Drummer empfinden dies als negative Entwicklung. Aber für mich hat diese Herangehensweise auch einen gewissen Wert und ich versuche meinen kreativen Ansatz daraus zu ziehen.
Deswegen auch dein Hybrid-Set aus Acoustic- und Electronic-Drums?
Richtig, ich spiele ein Hybridwesen aus SPD-SX mit Trigger-Pedal und akustischem Schlagzeug. Je nach Song-Idee kommt das Akustik-Set zum Einsatz, manchmal spiele ich ausschließlich elektronische Beats und ein anderes Mal ist es ein Mix aus beidem.

Deine Beats – vor allem die auf dem SPD-SX – sind vom Spielansatz modern angelegt. Zum Beispiel kreierst du die typischen Trap-Sounds in echt. Das klingt total klasse!
Ja, ich spiele diese Beats und Sounds tatsächlich live. Das ist dem geschuldet, dass ich diese Art Musik viel gehört und erforscht habe, um zu verstehen, wie das gemacht wird. So habe ich mir diverse Hi-Hat-Schnipsel als separate Samples auf verschiedene Pads gelegt. Ein Producer würde so einen Hat-Roll auf der MPC niemals mit der Hand spielen. Der hat ein Pad, bei dem dieses Sound-Schnipsel abgefahren wird. Ich hab das bei mir so organisiert, dass auf einem Pad Single-Hat-Beats liegen, auf einem anderen dieses Roll-Schnipsel und es gibt ein Pad mit Double-Hat-Beats. Auf diesem kann ich einen schnellen Hat-Roll spielen und bleibe dabei in meinem Achtelraster. Ich habe den MPC-Spieler im Prinzip auf mein SPD-SX gelegt. Weil wir in der Band regelrecht produziert komponiert haben, sind meine Parts auch sehr detailliert ausgearbeitet. Ich denke genau darüber nach, welche Hat-Beats an welcher Stelle cool kommen oder ob man Sounds im Panorama wandern lässt usw.
Und wie verhält sich dies bezüglich der Live-Sounds deines Akustik-Sets?
Obgleich ich mit den Akustik-Drums den Sound vom Album live nicht haargenau abbilden kann, habe ich dennoch sehr genau gecheckt, welche Snare-Hits oder Hi-Hat-Sounds wann und wo Sinn machen. Ich habe ein Grund-Setup, was soundmäßig eine Art dirty HipHop-Schlagzeug ist mit einer herzigen Bassdrum, einer knackigen Snare und einer großen washy Hi-Hat, die rein akustisch schon fast verzerrt klingt. Ich arbeite gerne mit Verzerrung auf den Drums. Dadurch ergibt sich auch eine Sound-Verbindung zur Album-Produktion, wenn auch der elektronische Drum-Bereich viel direkter dort anknüpfen kann.
Jeder Schlagzeuger hat ja seine Heroes. Welche sind es bei dir?
Ich hab so meine Top-Drei: Chris Dave – eine Legende! Dann gibt’s im HipHop einen Geheimtipp namens Cleon Edwards, der u. a. bei Erykah Badu spielt – ein totaler Freak aber wahnsinnig krass mit Handsätzen, die kein Mensch jemals gespielt hat. Für mich total inspirierend, aber musikalisch aus einer ganz anderen Ecke: Richard Spaven! Ich musste seine Hi-Hat kaufen, weil ich genau diesen Sound wollte. (lacht) Und zudem möchte ich noch Dan Mayo nennen – ein für mich soundmäßig total innovativer Spieler.
Ist Schlagzeugspielen für dich eine berufliche Perspektive?
Total! Ich habe mich mein Leben lang mit Musik und Trommelei beschäftigt und es wäre Zeitverschwendung, wenn ich jetzt was anderes machen würde. Dann hätte ich meine letzten zehn Jahre vertan.
Als Profi-Drummer hat mein ein großes Spektrum an Möglichkeiten. Wo siehst du dich?
Es gibt dieses Schlagzeuger-Ideal mit der Band auf der ganzen Welt erfolgreich zu sein. So naiv bin ich nicht. Das ist eine große Illusion ...
… aber wo willst du hin?
Genau dahin … (lacht) ... aber ich habe auch eine große Liebe für Studioarbeit und fürs Produzieren. Ich mixe viel und habe inzwischen genauso viel Anfragen als Producing-Engineer. Ich will mich parallel aufstellen und bin dabei, mir mein eigenes Studio einzurichten. Ich denke bei mir wird es ein zweigleisiges Ding zwischen Schlagzeuger und Producer. Man muss heutzutage mindestens zwei oder drei Elemente gut drauf haben, um im Musikmarkt zu überleben.

Und was ist mit LUT? Wo soll die Reise hingehen?
Erst mal machen wir das, was wir in der Hand haben: Musik komponieren und produzieren. In den nächsten Monaten folgen einige Single Releases. 2020 wird sicherlich ein zweites Album kommen. Unser Ziel ist es, eine internationale Fanbase aufzubauen. Wenn uns jemand in Südafrika auf seinem Schulweg hört und unsere Musik auf einer Home-Party in Japan läuft, wären alle meine Wünsche erfüllt.
Apropos LUT: Was bedeutet eigentlich der Name?
LUT ist ein Begriff aus der Videobearbeitung. Ein LUT bzw. ein Look-Up-Table transformiert Farben in den gewünschten Look. Man könnte sagen, wir transformieren Ideen in Sound.
Was hat dich bei der Entwicklung deiner schlagzeugerischen Fähigkeiten am meisten Kraft gekostet?
Ganz klar: Organisation. Sie macht keinen Spaß und ist zäh und mühsam, aber nur sie bringt mich in Situationen, die ich brauche, um mich als Schlagzeuger zu verbessern. Am Instrument üben kann nur einen Teil meiner Fähigkeiten entwickeln. Live-Konzerte, Recording Sessions und Videoshoots sind mindestens genauso essentiell und fordern mich auf ganz andere Art heraus. Ich bin mir sicher, jeder kennt diese Situation: Man übt und übt an einem Sticking und dann kommt dieses eine wichtige Konzert, und die Hände machen plötzlich alles anders. Live-Konzerte bringen einem bei, wie man mit Adrenalin umgeht, Recording Sessions bringen einem bei, was Sound und Perfektion bedeutet und Videos bringen einem bei, wie man Ausstrahlung und Präsenz als Drummer entwickelt. Letztes Jahr habe ich eine Menge solcher Situationen mit meinen Bands selbst auf die Beine gestellt. Aber ohne Organisation wäre das alles nicht möglich.
Equipment
Drums: Cube Personal Drums
- 3-piece Acryl-Kit
- 20" x 18" Bassdrum
- 10" x 8" Tom
- 16" x 14" Floor-Tom
Snaredrums: Cube Personal Drums
- 14" x 6" 20mm Solid Maple Shell Snare
- 8" x 4,5 " Acryl Snare
Cymbals: Meinl
- 12" Classics Custom Trash Splash (two stacked together, bottom one inverted)
- 16" Byzance Extra Dry Medium Thin Hi-Hat
- 16" Byzance Vintage Trash Crash
- 20" Byzance Extra Dry Thin Crash
- 22" Byzance Extra Dry Thin Ride
Electronics: Roland
- SPD-SX
- KD-7 Kick-Controller
- RT-30HR Dual Trigger
Hardware: Gibraltar
Felle: Remo
Drumsticks: Vic Firth
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