Foto: Robert Hurasky
2007 stellt sich sein beruflicher Alltag erfolgreich wie abwechslungsreich dar: Neben großen Live-Gigs mit Jan Delay & Disko No. 1 und Mousse T. ist er bei internationalen Studioproduktionen aktiv, unterrichtet als Dozent an der Popakademie Mannheim, der Hamburg School Of Music sowie beim „Popkurs“ (Kontaktstudiengang Popularmusik) der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und ist neuerdings als Produzent und Mitinhaber eines Hamburger Tonstudios aktiv. Im Herbst 2007 wird Jost außerdem für Sonor eine ausgedehnte Workshop-Tour spielen.
... damals, also 1997, erschien die „Matalex“-Live-CD mit Trompeter Randy Brecker und wir waren voller Tatendrang, nachdem wir einige Jahre mit sehr guter Energie und sehr erfolgreich unterwegs gewesen waren. Aus geschäftlichen Gründen sollte Gesang ergänzt werden, und das ist häufig das Ende jeder Instrumentalmusik-Band. Thomas D. von den Fanta 4 sang einen Song der nächsten Studio-CD, aber für mich war das alles nicht mehr so recht schlüssig.
Ich wollte wieder Musik mit Gesang machen, die auch ursprünglich dafür gemacht ist. Die Kollegen sahen es bald ähnlich, und die Band ist leise eingeschlafen. In meinem Wohnort Hamburg wurde ich dann festes Bandmitglied eines RockTrios mit deutschen Texten, wir bekamen als Vorschuss eines großen Verlages ein Jahr lang den Lebensunterhalt gesichert. Frei in unserer Zeiteinteilung, wurde das tägliche Treffen zur Probe zum Klassiker: Um Elf Uhr verabredet, waren wir dann alle um Zwölf Uhr da, aber erstmal mit Brötchentüte zum Frühstücken. Mir hat diese Rolle als Band-Musiker nicht so gefallen, ich wollte auch lieber richtig an Musik arbeiten oder für mich üben gehen.
Letztlich ist nichts Gescheites aus diesem Projekt geworden, ich wollte aber auch keine Schlager-Tourneen wie zuvor mit Vicky Leandros oder Tony Christie mehr spielen. Dann habe ich einige Zeit mit Inga Rumpf, einer vor allem im norddeutschen Raum sehr bekannten, tollen Sängerin gespielt, ein Gospelprogramm, das auf einer Tournee in vielen deutschen Kirchen gespielt wurde. Mit Leuten zu arbeiten, die ihr eigenes Song-Material auf die Bühne bringen wollen, hat mich schon immer am meisten interessiert.
Als ich dann ein Showcase mit einem Sänger in Lübeck hatte, lernte ich einen für mich sehr wichtigen Menschen kennen: Mark Smith, Produzent und Sänger. Er empfahl mich für eine Pop-Produktion in Paris, und dort konnte ich sehr virtuos rangehen, abfeiern, also virtuose Fills abliefern und interessante Grooves spielen – die perfekte Synthese für mich, die dort sehr eingeschlagen ist. Bis heute habe ich einige sehr große Produktionen eingespielt, hatte eine Zeit lang gar eine Wohnung in Paris und immer wieder regelmäßig in der Pariser Studioszene zu tun! Künstler, mit denen ich arbeitete, wie Jenifer, Maxim Nucci oder Linkup sind hier in Deutschland allerdings nicht bekannt, umgekehrt kennen die Franzosen auch höchstens Rammstein und jetzt Tokio Hotel.
Wie ist die Produktionsweise in Frankreich?
Jost Nickel: Bis 2003 war alles absolut professionell und „groß“. Morgens haben wir zum Beispiel für einen Song Bass und Drums aufgenommen, parallel wurden in London die Streicher eingespielt, deren Aufnahmen dann per Kurier nach Paris geschickt und dort in die laufende Produktion integriert wurden. Bei einem Album teilte ich mir die Arbeit mit Abe Laboriel Jr. Mittlerweile muss wegen des eingebrochenen CD-Marktes auch dort sehr gespart werden, und deswegen werden weniger Produktionen gemacht und dann auch seltener Live-Musiker eingesetzt.
Wie kam es zu deinem Einstieg in die deutsche Pop-Szene?
Jost Nickel: 2004 bekam ich das Angebot, in Deutschland live mit Mousse T. und seinen Hammer-Sängern wie Andrew Roachford oder Omar zu spielen. Mousse T. kannte ich schon einige Zeit aus Hannover und mochte auch seine Arbeit: ehrliche Pop-Musik, die nicht so tut, als ob sie mehr wäre, als sie tatsächlich ist. Nicht anspruchsvoll, sondern tanzbar – und vor allem authentisch! Das Meiste, was über einen längeren Zeitraum erfolgreich ist, lebt meiner Meinung nach von der Authentizität des Musikers.
Und nun sorgst du bei Disko No.1, der Band von Jan Delay, für den richtigen Groove!
Jost Nickel: Ich wollte schon vor 10 Jahren Popmusik machen, die mir wirklich gefällt. Jetzt spiele ich mit einem Sänger, dessen Musik ich selber schon seit langem gerne höre. Und das Beste ist, dass meine Art zu spielen perfekt zu Jans Musik passt. Mein Fokus liegt natürlich auf den Beats, aber ich habe auch meine Freiheiten und kann ein bisschen auspacken.
Mein Eindruck ist, dass du die Musik mit geschmackvollen, und auch gerne mal virtuosen Fill-ins bereicherst. Legst du dir diese zurecht?
Jost Nickel: Danke erstmal für das Kompliment. Allgemein übe ich in letzter Zeit so, dass ich Fills nie von der „1“ bis zur nächsten „1“ übe. Stattdessen stelle ich mir beispielsweise vor, dass das Fill auf der „4“ beginnen muss und auf der nächsten „3“ ist ein „Stop“, oder dass ein Fill auf „1und“ starten soll, und mit einem Bläserakzent auf der „4e“ abschließt. Musikalische Dinge, die konkret vorkommen können, bereite ich also für mich vor, denn nicht alles, was ich gerne spielen möchte, kann ich live mal so eben aus dem Ärmel schütteln. Im Programm von Jan Delay hat sich eine Art „Fill-Repertoire“ entwickelt. Wenn ich das Gefühl habe, hier wird es langweilig, da muss was anderes her, dann probiere ich halt was Neues aus. Manchmal nehme ich mir für ein oder zwei Stellen im Set Fills vor, die ich bisher noch nicht live gespielt habe. Das sollte allerdings nie Priorität haben. Das Wichtigste ist immer der Groove!
Wie bist du zu Disko No.1 gekommen?
Jost Nickel: Also, eigentlich hat unser Posaunist Johnny Johnson es nicht gerne, dass ich die Geschichte so oft erzähle, aber als die Band probte und mit ihrem Drummer nicht so recht zufrieden war, hat er mich angesprochen, mir Musik vorgespielt und mich zur gegebenen Zeit der Band vorgeschlagen. Dann habe ich eine richtige Audition gemacht. Ich habe an einem Sonntag kurzfristig drei Titel bekommen und vorbereitet, und war um acht Uhr abends im Proberaum. Wir spielten den Song „Klar“ sowie zwei weitere Songs je zweimal, dann verließ die Band den Raum, und Jan setzte sich vor mich und meinte mit seiner typischen, nasalen Stimme nur: „Ja, das ist derbe!“, was für ihn ein großes Kompliment ist und soviel heißt wie „Das ist sehr gut.“ Dann sagte er mir genau, was er von mir erwarten würde, was an Terminen bereits anliegt und welche Gagen bezahlt werden. Das fand ich super, weil so alles direkt klar war. Er bot mir Bedenkzeit an, aber ich habe spontan zugesagt. Ich habe erst nach zwei Tagen realisiert, in was für eine große Sache ich da eingestiegen bin und kurz gezweifelt, ob ich mich überhaupt so sehr an ein Projekt binden möchte.
Wie bist du denn spieltechnisch in die Audition gegangen?
Jost Nickel: Ich habe fast keine, oder nur rudimentäre Fills gespielt, und mich auf das Tempo der Songs konzentriert. Wenn ich spiele, beschäftigt mich konzentrationstechnisch auch immer am meisten: das richtige Tempo für den jeweiligen Song zu spielen!
Durch den Einsatz eines „Clicks“ ist das Tempo doch schon mal vorgegeben...
Jost Nickel: Bei Jan Delay spiele ich ohne Click. Jan möchte das so, da er nicht „in Ketten liegen“ will, wie er sagt. Ich hatte es für TV-Auftritte zur Sprache gebracht, ehrlich gesagt, um nicht die Verantwortung alleine tragen zu müssen: Der Klassiker, eine Show wie etwa „TV-Total“ ... du kommst vormittags an, spielst dann abends 3 Minuten und willst natürlich gut abliefern. Doch Jan hält es für absolut unnötig, also spiele ich ohne Click. Es ist mir eigentlich auch viel lieber, denn dann muss ich beim Spielen nicht so viel dafür tun, dass die Band auf dem Click bleibt, und es ist ein sehr organisches Ding. Natürlich ist mein Anspruch, so zu trommeln, dass man denken könnte, die Band spielt immer mit Metronom, obwohl sie es nicht tut und ich mir lediglich das Songtempo vor dem Anzählen vom Metronom hole.
Wenn ich Bands live spielen sehe, die komplett zum Click spielen, frage ich mich manchmal, was für ein ganz persönliches Timing der Drummer wohl hat. Es interessiert mich, aber ich werde es am Ende der Show nicht wissen, da der Drang nach absoluter Perfektion es verhindert. Die Tour im Februar/März diesen Jahres spielten wie in Hallen der Größenordnung 1500 – 4000 Zuschauer, so hatten wir fast immer „volles Haus“. Diese Tour hat viel Spaß gebracht, das war echt Wahnsinn! Ich denke, es ist eine gute Mischung aus toller Musik ... fetten Bläsersätzen, super Background-Vocals ... und einer guten Bühnenshow. Zudem ist Jan eben ein Typ mit einer echten Haltung, die er in seinen Texten ausdrückt. Er möchte ein bestimmtes Lebensgefühl transportieren und hat auch auf der Bühne spontanen und natürlichen Witz, eben absolut authentisch!
Im Juli haben wir bereits neue Songs für das nächste StudioAlbum geprobt. Es ist geplant, dass die Band die Songs einspielt, allerdings ist es auch möglich, dass sich Jan Delay wie beim ersten Album die Freiheit nimmt, Gespieltes durch Programmiertes zu ersetzen. Wir sind allerdings als Band sehr stark einbezogen, so haben Bassist Ali Busse und ich für die Live-CD die drei aufgenommen Konzerte durchgehört und die Titelauswahl vorgeschlagen. Jan ist ein toller Chef, da er die Band demokratisch entscheiden lässt und akzeptiert, überstimmt zu werden. Jeder in der Band fühlt sich anerkannt und hat das Gefühl, er kann etwas bewegen. So sind alle voll motiviert und so ist die Stimmung auf dem Weg zum Gig schon super.
Wie läuft die Tourvorbereitung ab?
Jost Nickel: Wenige Tage in einem guten Proberaum mussten reichen. Seit Sommer 2006 liegen dauernd Einzel-Gigs oder Tourabschnitte an, deswegen proben wir nur, um neue Songs zu üben. Ich bin eigentlich für längeres Proben, ähnlich wie Phil Collins, der bis zu drei Monate vor einer Tour probt. Oder der Drummer von Christina Aquilera, deren Support-Act wir waren, erzählte mir, dass bei ihr zwei Wochen Proben nur für einen neuen Gitarristen anstünden! Dabei wird der Mann topfit und absolut vorbereitet sein! Durch viel Proben muss man nicht mehr nachdenken, alle Parts und Akzente sitzen einfach und das Musikmachen läuft viel weniger rational ab.
Ihr habt in diesem Sommer auch auf vielen großen Festivals gespielt ...
Jost Nickel: ... ja, und die größten hatten wir gleich zu Beginn, nämlich „Rock am Ring“ und „Rock im Park“. Vor 50.000 Leuten zu spielen, die sich alle zur Musik bewegen macht einfach viel Spaß, zumal wenn man soundmäßig so gut rüberkommt, wie mir oft gesagt wird. In kleineren Hallen ist allerdings der Publikumskontakt unmittelbarer, es ist heiß auf der Bühne, du kannst den Menschen in die Augen gucken und hast so einen direkteren Kontakt.
Was brauchst du auf der Bühne, um dich wohl zu fühlen?
Jost Nickel: Mir ist am wichtigsten, dass ich einen guten Sound habe. Mit Sonor- und Meinl-Equipment bin ich top ausgestattet und arbeite da mit Leuten zusammen, die sich mit ihren Produkten absolut identifizieren und für den Musiker voll einsetzen. Bei Jan Delay spielt die hinten platzierte Rhythmusgruppe komplett mit Monitorboxen, die Sänger und Blä- ser vorne setzen dagegen auf In-EarMonitoring. Bei anderen Projekten, wo Click und Loops dabei sind, spiele ich auch mit In-Ear. Allerdings muss der Monitormischer dann ein echter Checker sein. Er muss uns über Ambience-Mikros Applaus zuspielen, manchmal klangtechnisch „fahren“ und immer aktiv sein, da man so abgeschlossen vom räumlichen Klang auf der Bühne ist.
Ansonsten habe ich auch gerne einen Kopfhörer über den ich den Click höre und dazu Wedges am Boden. Des Öfteren bin ich für Plattenfirmen oder Managements der erste Ansprechpartner für die Live-Umsetzung einer CD und bestehe dann immer darauf, dass ein Backliner mit dabei ist. Das wird manchmal als zu teurer Luxus empfunden, ist aber erforderlich. Und auf diese „Zu teuer“-Diskussion darf man sich gar nicht einlassen. Schließlich werden Fotografen, Grafiker und Marketingleute von den Plattenfirmen auch bezahlt, da darf dann nicht ausgerechnet bei der Musik der Rotstift angesetzt werden. Bei kleineren Gigs baue ich mein Set natürlich selber auf ... es geht ja immer um Musik, und man tut halt, was dazu nötig ist! (Gelächter)
Bei Mousse T. bist du auch als musikalischer Leiter tätig?
Jost Nickel: Der frühere „MD“ stieg aus und ich übernahm ich seine Aufgabe, als mich die Band dazu wählte. Über die Organisationsfragen hinaus geht es da vor allem um musikalische Eckpunke. Ich bespreche stets mit der Band, welche musikalischen Stellen beim Soundcheck angespielt werden müssen. Und ich kläre Formsachen: Machen wir bei diesem Titel „on cue“ Schluss, oder gibt es eine bestimmte Zahl Refrains. Sind solche Dinge ungeklärt, geht oft was schief, und das ist total überflüssig. Ist mal keine Zeit auf der Bühne, kann man ja „trocken“ im Backstage-Raum was durchgehen.
Drummer sind oftmals organisatorisch tätig ...
Jost Nickel: ... ja, stimmt ... ob das mit dem Charakter zu tun hat? Ich finde, als Trommler sollte man immer und zu jeder Zeit „Herr der Lage“ sein. Man darf als Drummer nie raten! Es muss immer klar sein, ob als Nächstes ein „Stop“ oder eine ruhige Passage kommt. Man muss spüren, ob die Band an einer Stelle ein besonders deutliches Fill benötigt, und wenn ja, dann mache ich das und helfe der Band so durch den Song. Da ich also eh musikalische Verantwortung als Drummer habe, liegt es vielleicht nahe, dass ich diese auch auf andere Bereiche ausdehne. Auch wenn es Arbeit ist, ich mache das gerne.
Steckt bei dir auch ein gewisser Drang nach Perfektion dahinter?
Jost Nickel: Sicher. Zuletzt habe ich für Ralf Gustke bei der Band Schiller gespielt. Bei solchen ungeprobten Gigs habe ich bei anderen Musikern oft beobachtet, dass sie schon zufrieden sind, wenn sie sich „nur“ 5 Mal verspielen. Ich aber wollte hinfahren und die Band sollte nicht merken, dass da jetzt ein Sub spielt, sondern sollte sich mit mir ganz sicher fühlen. Mein persönlicher Anspruch ist immer, einen Abend fehlerlos über die Bühne zu bringen. Dass ich für gute Stimmung sorge und guten Groove liefere, ist eh Grundvoraussetzung. Als Musical Director erwarte ich dasselbe von den Kollegen, nämlich eine gute Vorbereitung, damit beim Gig aus dem Vollen geschöpft werden kann. Bei dem erwähnten Schiller-Gig hatte ich zudem wie immer den künstlerischen Anspruch, dass ich auf meine Art spielen wollte, nicht Ralf Gustke kopieren, sondern meinen persönlichen Stil spielen, denn das ist viel wertvoller und interessanter für eine Band als eine Kopie! Beim Kopieren geht auch einfach zu viel geistige Kapazität verloren. Dann lieber Grooves und Akzente „nach Plan“ spielen, und die Fills und manche Phrasierung der Beats auf eigene Art spielen, weil es authentischer ist.
Hast du diese Einstellung auch bei Seeed gehabt?
Jost Nickel: Ja, genau. Diese Band ist echt ’ne Bombe, auch showmäßig absolute Weltklasse. Und ihr Drummer Based, der Sebastian Krajewski, das ist ein tierischer Trommler! Als ich erstmals für Sebastian eingesprungen bin, sind wir nach nur zwei Stunden Probe auf die Bühne gegangen, was eigentlich hanebüchen ist. Seitdem denken die wohl, dass ich eigentlich gar nicht proben muss, denn beim letzten Mal trafen wir uns extra einen Tag vorher in München zur Probe, und ein Sänger meinte tatsächlich „Ey, Jost, du musst doch gar nicht proben.“ und ich antwortete nur „Doch! Bitte!“.
Du hattest aber Setliste und Aufnahmen?
Jost Nickel: Ja, und ich habe dann alles auswendig gelernt! Das dauert eigentlich viel zu lang, aber der Stil und die Grooves gefallen mir so gut, dass ich mich gerne damit beschäftige. Ich gehe also in den Proberaum, höre einen Titel, versuche mir alles einzuprägen und spiele dann direkt dazu. Ich bemerke meine Fehler, versuche diese nach und nach zu vermeiden und arbeite auf diese Weise an jedem Song. Der Vorteil ist, dass ich dann alle auswendig kann, der Nachteil, dass ich nach einem halben Jahr vieles nicht mehr weiß. Für die Band Schiller habe ich mir dagegen Charts geschrieben, weil ich nicht genug freie Zeit zum Auswendiglernen hatte. Viele wichtige Grooves tragen ihre Musik, und für die zwei ausverkauften Club-Konzerte in Griechenland musste ich mir einfach detaillierte Notizen anfertigen, was ich für diese Band, die ich atmosphärisch total angenehm fand, auch gerne tat.
Wie ist es denn bei der Nils Gessinger-Band?
Jost Nickel: Also, Nils ist echt ein krasser Vogel! (lacht) Er hat meinen größten Respekt dafür, dass er auf seinen mittlerweile 4 CDs unter eigenem Namen ganz klar vorgibt, wie alles musikalisch zu sein hat. Wir spielten bereits vor 10 Jahren zusammen, dann längere Zeit nicht. Vor einigen Jahren habe ich wieder mal zugesagt, weil ich diese Art Instrumental-Musik, sehr virtuos mit kniffligen Arrangements und verschiedenen Taktarten gerne wieder spielen wollte. Mit der Haltung „Ich geh da jetzt hin, und spiele auf meine Art“ kam Nils früher nicht immer klar, Wie bereits erwähnt, spielt und klingt man schlechter, wenn man nur nach fremden Vorgaben spielt, schon deshalb, weil man permanent gegen die eigenen Instinkte spielt. Nils hat gemerkt, dass ich mir trommeltechnisch nicht viele Vorgaben machen lasse, sondern in bestimmten Dingen selbst entscheide.
Er zeigt halt schon mal an, wenn er einen Wechsel zum Ride-Cymbal möchte, und wenn’s passt, tue ich ihm den Gefallen, dann grinsen wir uns schon mal an. Wir spielen regelmäßig im Hamburger Stage-Club, und wann immer ich Zeit habe, bin ich dabei. Es wird nie geprobt, was natürlich schade ist, aber er schreibt gute Noten – auch mit ein Grund für mein Mitwirken, da ich so im Notenlesen fit bleibe.
Wenn man dir beim Spielen zuschaut, hat man den Eindruck, dass du auf „Show“ keinen großen Wert legst?
Jost Nickel: Nein, meine Show ist Bewegungs-Minimalismus! Auch da geht es wieder um Authentizität ... wenn man darauf steht, macht man sicher mit Bewegung eine gute Show, würde ich das machen, wäre das total künstlich. Auf eine gute Show stehe ich sehr, mache aber persönlich nur das, was mir liegt. Aber so ein Paar Sachen finde ich gut und setze sie auch ein, wie das Crash-Cymbal zweimal kurz hintereinander von unten und von oben anschlagen.
Du gibst deine Fähigkeiten und Erfahrungen seit Jahren an den Nachwuchs weiter.
Jost Nickel: Bereits 1992, als ich nach Hamburg ging, habe ich an der „Yamaha Musicstation“ unterrichtet. Mein Wunsch war stets, wenig, aber intensiv zu unterrichten, neben möglichst viel Live- und Studio-Arbeit. Nun unterrichte ich beim „Popkurs“ in Hamburg jeweils zwei Wochen im Jahr im Wechsel mit Curt Cress. Jetzt habe ich auch ein Sommersemester an der Popakademie in Mannheim unterrichtet, zeitlich überschaubar, aber eben unter guten Bedingungen, denn das Level der Schüler ist hoch.
An der „Hamburg School of Music“ habe ich gerade einen zehnstündigen Kurs zum Thema „Groupings“ gegeben, und für das kommende Jahr ist ein Kurs „Studiodrumming“ fest vereinbart. Gemeinsam haben diese Einrichtungen, dass das Dozententeam und die Raum- und Equipment-Ausstattung sehr gut ist.
Wie siehst du denn die Arbeitsmöglichkeiten für junge Schlagzeuger?
Jost Nickel: Schwer zu sagen. Ich denke, dass die Leute, die den absoluten inneren Drang zum Musiker haben und alles Notwendige für den Musiker-Beruf tun, immer Möglichkeiten haben werden. Natürlich muss man auch bereit sein, dahin zu gehen, wo sich etwas ergeben kann. Ich wohnte damals in Münster, als ich am „Popkurs“ in Hamburg teilnahm, und es war eine ganz schnelle Entscheidung, dann nach Hamburg zu ziehen.
So einige Drummerkollegen sind diesen Weg auch gegangen ...
Jost Nickel: Ja, ein sehr populärer Schlagzeuger ist Benny Greb, der auch nach dem „Popkurs“ nach Hamburg umsiedelte: total engagiert, mit einer ganz klaren Vision von dem, was er tun wollte. Als ich damals in Hamburg landete, gab es Musiker, die mich ganz klein halten wollten, und ich habe mir damals vorgenommen, dies später anders zu machen. Wenn Leute nachkommen, mit denen ich auf Augenhöhe über Musik diskutieren kann und die mich inspirieren, dann will ich diesen Moment nicht verpassen, wo jemand vom Schüler zum Kollegen wird. Ich war Dozent beim „Popkurs“ als ich Benny kennen gelernt habe, und nun treffen wir uns gelegentlich zum Trommeln, was viel Spaß macht.
Was mir grundsätzlich auffällt, ist, dass recht wenige Studenten und Schüler ein allgemeines Interesse am Schlagzeug haben. Wenn ich vorschlage, an Latin Grooves zu arbeiten, höre ich schon mal die Antwort „Ach, die brauche ich ja eh nie!“ anstatt „Hm, die brauche ich zwar fast nie, aber es könnte ja interessant sein und Spaß bringen.“ Ich wundere mich immer, wenn da kein globales Interesse und Offenheit vorhanden ist. Ich meine, in der „Fabrik“ in Hamburg habe ich damals viele Konzerte im Bereich Fusion und Jazz gesehen, mit Drummern wie Dennis Chambers, Dave Weckl, dem tollen Tom Brechtlein mit dem Gitarristen Robben Ford. Diese ganze Musiksparte, bei der man erkennen kann, was Schlagzeuger am Instrument alles Tolles machen können, ist stark zurückgegangen, so fehlt den jungen Trommlern vielleicht die Inspiration in dieser Richtung.
Du kennst den Satz „Man soll den Schüler da abholen, wo er steht ...“?
Jost Nickel: Ja, oder: „Man lässt den Lehrer da stehen, wo er ist!“ (Gelächter) Wie gehst du mit deinen Schülern um, in wie weit gehst du auf sie ein? Die Schüler, die ich habe, betreue ich nur eine kurze Zeit, daher gehe ich stark auf sie ein und erfrage, was sie durchnehmen wollen. Und ich glaube, dass man durch „Vorbild-Sein“ eine Menge vermittelt, ohne diese Dinge überhaupt auszusprechen. Darüber hinaus biete ich immer an: „Wir könnten Folgendes tun ...“
Dann wünsche ich dir weiterhin viel Erfolg bei all deinen Aktivitäten und danke für das schöne und informative Gespräch! //