Die meisten ihrer Drum-Grooves sind jedoch von solch hoher Niveauklasse, dass man lieber mit Begeisterung zuhören möchte als den Versuch zu unternehmen, jene Tracks nachzuspielen. Doch nicht alles von ihr ist unerreichbar! Insofern habe ich einen eher ungewöhnlichen Anika-Nilles-Groove gewählt, der vom spielerischen Anspruch nicht ganz so advanced daherkommt – also nachvollziehbar ist und dennoch reichlich Potenzial für kreative Geschicklichkeit zu bieten hat. „Mister“ heißt der Song, ein Track von Anikas Album „Pikalar“, das im Februar 2017 veröffentlicht wurde.
Notiert findet ihr den Schlagzeug-Part aus dem ersten Strophenteil (Spielzeit 0:28 – 0:36 Min.) sowie den ersten Takt des ersten Refrains (Spielzeit 0:49 – 0:53 Min.). Bemerkenswert an der Strophen-Rhythmik sind die regelmäßigen Snare-Ghostings, die dem langsamen Song-Tempo ein bisschen die Schwere nehmen und dem Groove einen dezenten Flow verleihen. Alle Ghost Notes und Snare-Mainbeats werden von Anika mit der linken Hand gespielt. Dieses zweitaktige Pattern lässt sich wunderbar loopen, und das kleine Fill am Ende bietet eine gute Überleitung innerhalb der Loop- Schleife.
Die Notation des Refrains lässt „Schlimmes“ erahnen – zumindest was die Quantität der Beats angeht. Das Tempo des Songs bleibt dasselbe, jedoch packt Anika eins ihrer Lieblingsthemen aus: die Subdivisions. Das Trickreiche hierbei liegt in der versetzten Kombination von Hi-Hat-Beats und Snare- Ghostings. Auf den Achtel-Zählzeiten spielt Anika zwei Hi-Hat-Beats als Zweiunddreißigstel, und die Snare-Ghostings fügen sich um eine Zweiunddreigstel-Note versetzt hinzu. Wenn man Hi-Hat und Snare isoliert betrachtet, ist das Prinzip eigentlich klar. Allerdings ist die Platzierung der Bassdrum- Beats nun auch ins Zweiunddreißigstel- Gefüge eingebunden. Und das ist nun schon ganz schön advanced, aber auch nicht unspielbar, wenn man die Struktur mal analytisch und langsam angeht.
Statements von Anika Nilles
Der „Mister“-Groove ist vergleichsweise recht abgehangen und chillig – zumindest was den Strophenteil angeht. Eigentlich sehr außergewöhnlich für dein sonst doch sehr filigranes Subdivision-Playing?
Anika Nilles: Ich hatte nicht vor, eine Soloplatte zu machen, bei der alles vom Schlagzeug dominiert wird und zugeballert ist. Das Album „Pikalar“ soll eine gute Mischung an ruhigen Titeln mit relaxten Drums, aber auch schlagzeuglastigere Stücke bieten. Und „Mister“ ist einer der Titel, bei dem das Schlagzeug in den Hintergrund tritt, um den Melodien mehr Raum zu geben. „Mister“ ist übrigens einer meiner Lieblings-Tracks des Albums. Schon beim Layout wurde mir klar, dass es ein Song sein wird, der eher zum relaxten Zurücklehnen geeignet ist und nicht ein solcher, der auf krassen Drum-Grooves aufbaut. Ich stehe total auf Melodien, und das Schlagzeug soll bei diesem Song auch eher nur begleiten, um Melodien und Harmonien zu unterstützen.
Das gelingt auch gut in den Strophen, wobei du feine Snare-Ghostings als beruhigendes Stilmittel einfügst. Laufen die Ghostings einfach so mit oder sind sie bewusst und mit voller Absicht ins Spiel eingebunden?
Anika Nilles: Ich spiele sehr gerne Ghost Notes, das steckt in meinem Spiel ganz natürlich drin. Am Anfang des Songs lege ich den Schwerpunkt auf eine sehr reduzierte Snare/Kick-Arbeit mit Viertel-Hi-Hat. Um der Struktur etwas mehr Gehalt zu geben, habe ich die sparsame Hi-Hat ein bisschen durch die Snare- Ghostings kompensiert.
In den Refrain-Parts bricht dann allerdings doch die Schlagzeugerin Anika Nilles durch, und du spielst einen tricky Groove mit fein verwobenen Hi-Hat/ Snare-Ghostings in Zweiunddreißgsteln.
Anika Nilles: In diesem Teil spiele ich auf den Achtelzählzeiten immer zwei Hi-Hat-Beats als Zweiunddreißigstel. Und die erste Snare-Ghosting- Note kommt parallel zur zweiten Hat-Ghosting. Dadurch entsteht eine überlappende Figur, die im Gefüge des langsamen Song-Tempos Leichtigkeit aufkommen lässt.
Sehr schick gelöst ...
Anika Nilles: ... ja, solche Figuren, wie diese Art von Hi-Hat-Patterns und Kombinationen mit Snare- Ghostings, habe ich eine Weile für mich ausgearbeitet. Dinge, die mich beim Üben beschäftigt haben, verbastle ich immer gerne in den Songs. (lacht) Meine Musik ist ja auch dazu da, dass ich mich einfach mal ausleben darf!
„Ausleben“ ist ein gutes Stichwort, denn Musikmachen und Schlagzeugspielen hat mit künstlerischem Ausdruck, Freiheit und Leidenschaft zu tun. Und dass Anika Nilles eine leidenschaftliche Schlagzeugerin ist, steht ja wohl außer Frage. Viel Spaß mit diesem „mister(y)“ Anika- Groove!